VfGH Erkenntnis


Die Verordnung des Landeshauptmannes von Burgenland vom 5. Juni 2005 betreffend die Festsetzung von Höchsttarifen für das Rauchfangkehrergewerbe, LGBl. 50/2005, wird als gesetzwidrig aufgehoben. Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 30. Juni 2006 in Kraft.

 

Typ: VfGH Erkenntnis
Datum: 2006.03.02

Sammlungsnummer: ******
Geschäftszahl: V82/05
Index: 50 Gewerberecht
50/01 Gewerbeordnung

Norm:
B-VG Art18 Abs2;
B-VG Art103 Abs2;
B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag;
B-VG Art139 Abs1 / Prüfungsumfang;
GewO 1994 §125;

Verordnung des Landeshauptmannes von Burgenland betr. die Festsetzung von Höchsttarifen für das Rauchfangkehrergewerbe, LGBl 50/2005;

VfGG §58;


Leitsatz:

Zulässigkeit des Individualantrags eines Rauchfangkehrermeisters auf
Aufhebung einer - eine untrennbare Einheit bildenden - Verordnung
über die Festsetzung von Höchsttarifen für das
Rauchfangkehrergewerbe; kein Vorliegen einer dem
verordnungserlassenden Organ - Landeshauptmannstellvertreter als nach
der Geschäftsordnung zuständiges Mitglied der Landesregierung im
Namen des Landeshauptmannes - zuzurechnenden Äußerung im
verfassungsgerichtlichen Verfahren; Aufhebung der Verordnung mangels
zureichenden Ermittlungsverfahrens und mangels Bedachtnahme auf die
Leistungsfähigkeit der Betriebe; Gesetzwidrigkeit auch der
rückwirkenden Inkraftsetzung ohne ausdrückliche gesetzliche
Ermächtigung zu einer Rückwirkung


Spruch:

Die Verordnung des Landeshauptmannes von Burgenland vom
5. Juni 2005 betreffend die Festsetzung von Höchsttarifen für das
Rauchfangkehrergewerbe, LGBl. 50/2005, wird als gesetzwidrig
aufgehoben.

Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 30. Juni 2006 in Kraft.


Der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit ist zur
unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt II
verpflichtet.

Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) ist
schuldig, dem Antragsteller zuhanden seines Vertreters die mit
2.340 € bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger
Exekution zu erstatten.


Begründung - Entscheidungsgründe:

I. Der antragstellende Rauchfangkehrermeister begehrt die
Aufhebung der Verordnung des Landeshauptmannes von Burgenland vom
5. Juni 2005 betreffend die Festsetzung von Höchsttarifen für das
Rauchfangkehrergewerbe zur Gänze, in eventu der (die Tarife
enthaltenden) Anlage und auf diese hinweisender Wortfolgen in näher
genannten Bestimmungen sowie des (das Inkrafttreten regelnden) §7
Abs1, allenfalls anstelle der Anlage auch nur der ziffernmäßigen
Eurobeträge der Anlage, dies alles auch ohne §7 Abs1, oder des §7
Abs1 allein.

Die bekämpfte Verordnung wurde vom (gemäß der maßgeblichen
Referatseinteilung der Landesregierung zuständigen)
Landeshauptmannstellvertreter im Namen des Landeshauptmannes
erlassen, stützt sich auf §125 Gewerbeordnung 1994 in der Fassung
BGBl. I Nr. 111/2002 und wurde mit dem 34. Stück des
Landesgesetzblattes am 15. Juli 2005 kundgemacht. Sie bestimmt, dass
für die in der Anlage umschriebenen Leistungen höchstens die dort
enthaltenen Tarife verrechnet werden dürfen (§1), enthält die
Definitionen der dort verwendeten Begriffe und Berechnungsmethoden
(§2), regelt die Voraussetzungen einer Verrechnung zusätzlicher
Kosten für verhinderte Kehrung (§3) und von Zuschlägen für bestimmte
Zeiten, fremde Kehrgebiete oder außerordentliche Erschwernisse (§4),
die Rechnungslegung (§5), die Errichtung einer Schlichtungsstelle für
Streitigkeiten aus dem Kehrgesetz (§6) und ihr Inkrafttreten (§7).
Nach §7 Abs1 tritt die Verordnung mit Inkrafttreten des
(burgenländischen) Kehrgesetzes in Kraft. Das Kehrgesetz vom 31. März
2005 war indessen am 30. Juni 2005 kundgemacht worden und mangels
besonderer Anordnung bereits mit 1. Juli 2005 in Kraft getreten.

Der antragstellende Rauchfangkehrermeister erachtet sich als
Adressat der Verordnung durch die Festlegung der Höchsttarife
unmittelbar (nachteilig) betroffen und sieht keinen anderen Weg, die
Frage der Gesetzmäßigkeit der Verordnung an den
Verfassungsgerichtshof heranzutragen; das Verlangen eines höheren
Entgeltes sei (nach §367 Z31 GewO und §13 Abs1 Z7 Bgld. KehrG)
strafbar; es sei ihm unter diesen Umständen nicht zumutbar, einen
höheren Betrag (für die jeweils zu erledigende Leistung) einzuklagen,
zumal die ins Treffen geführten ruinösen Auswirkungen der Verordnung
auch aus dem Zusammenwirken der einzelnen Tarifpositionen folgten.

Gesetzwidrig sei die Verordnung, weil die erforderlichen
Ermittlungen zur Gänze unterlassen worden seien. Vielmehr sei sie
nach einer Entschließung des burgenländischen Landtags vom 31. März
2005, die bloß den bereits vollständig ausformulierten Text enthalten
habe, über Weisung des Landeshauptmannes an das zuständige
Regierungsmitglied erlassen worden. Die Interessenvertretung der
Rauchfangkehrer sei nicht gehört worden. Ermittlungen über die
Leistungsfähigkeit der Betriebe habe es nicht gegeben. Die solcherart
festgelegten Tarife seien ruinös (Hervorhebungen im Original):

"a) Vergleich der neuen Höchsttarif-VO mit der  Vorgängerregelung

Vergleicht man die Regelungen und die Tarifansätze der neuen
Höchsttarif-VO mit jenen der Vorgängerregelung (dies ist die
Verordnung des LH von Bgld vom 22.10.1996 betreffend die
Neufestsetzung der Höchsttarife für das Rauchfangkehrergewerbe, LGBl
65/1997 idF LGBl 18/2003), so zeigt sich, dass ein unmittelbarer
Vergleich der Tarifansätze nicht möglich ist. Vielmehr hat eine
Umstellung der maßgeblichen Bemessungsgrundlagen für die (höchstens)
zu verrechnenden Tarife stattgefunden. So erfolgt die Staffelung des
objektbezogenen Tarifes nunmehr etwa in Anknüpfung an die (in kW
gemessene) Leistung der Heizung, während zuvor an den (in cm2
gemessenen) Querschnitt des Rauchfanges angeknüpft wurde. Auch wurde
die Gliederung der zu erbringenden Leistungen bzw die Gliederung der
dafür gebührenden Entgelte geändert. Während zuvor eine Kehr- und
Kontrollgebühr, welche sich aus Grundgebühr und Geschoßgebühr
zusammensetzte, vorgesehen war, zergliedert die neue Höchsttarif-VO
die zu erbringenden Leistungen bzw Entgelte in einen Objekttarif und
ein Arbeitsentgelt. Dazu kommen sowohl in der alten als auch in der
neuen Regelung verschiedene, heterogene Einzeltarife. Die durch die
Höchsttarif-VO bewirkte wirtschaftliche Verschlechterung für den
Antragsteller sowie für die übrigen bgld Rauchfangkehrerunternehmen
ist daher nur auf Grundlage einer Vergleichsrechnung ersichtlich.

b) Wirtschaftliche Verschlechterungen für den Antragsteller

Eine solche Vergleichsrechnung ergibt, dass die durch die
Höchsttarif-VO eingeführten neuen Höchsttarife für den Antragsteller
wirtschaftlich ruinös sind. Beilage 7 enthält ein Gutachten, in dem
die maßgebliche wirtschaftliche Vergleichsrechnung angestellt wurde:

Diese[s] Gutachten geht von der realen Gewinn- und
Verlustrechnung des Antragstellers für das Wirtschaftsjahr 2004 aus.
Diese ist im vorletzten Abschnitt des Gutachtens abgedruckt. Um die
genauen Auswirkungen der neuen Höchsttarif-VO zu zeigen, wurden aus
dieser Gewinn- und Verlustrechnung alle nicht durch den Kehrtarif
beeinflussten außerordentlichen Ertragspositionen ausgeschieden und
die Gewinn- und Verlustrechnung auf das Ergebnis der gewöhnlichen
Geschäftstätigkeit (EGT) reduziert. Das Ergebnis dieser Berechnung
des realen EGT des Antragstellers für das Wirtschaftsjahr 2004 findet
sich auf den Blättern 3 bis 6 des zweiten Abschnittes des Gutachtens
und weist einen Betrag von € 65.045,47 aus.

Zum anderen enthält das Gutachten eine Berechnung jenes EGT,
das sich ergeben hätte, wenn den im Wirtschaftsjahr 2004 vom
Antragsteller erbrachten Leistungen bereits der neue Höchsttarif
zugrunde gelegt worden wäre. Dieser Berechnung liegen die im zweiten
Abschnitt des Gutachtens wiedergegebene Betriebsdatenerfassung
(Blatt 11), die Arbeitszeitkalkulation (Blatt 12), die Objektgebühr
(Blatt 13) sowie die Umsatzkalkulation (Blatt 14) zugrunde. Die
Blätter 16 bis 18 enthalten nähere Erläuterungen zur Methode der
Berechnung. Der letzte Abschnitt des Gutachtens schließlich enthält
die Daten der Lohnkonten des Antragstellers, welche Basis für die
Kalkulation der Lohnkosten bildeten. Auf Basis all dieser
Berechnungen ergibt sich, unter Zugrundelegung der neuen
Höchsttarif-VO, ein fiktives EGT des Antragstellers für das
Wirtschaftsjahr 2004 von € - 6.239,64.

Schon dieser Vergleich zeigt, dass [der] mit dem neuen
Höchsttarif eine eklatante wirtschaftliche Verschlechterung für den
Antragsteller verbunden ist und dem Antragsteller auf Basis der neuen
Höchsttarife ein wirtschaftlich vertretbares, geschweige denn
kostendeckendes Führen des Rauchfangkehrerbetriebes unmöglich ist.

Dazu kommt, dass das Gutachten naturgemäß nur Veränderungen
aufgrund der neuen ziffernmäßigen Tarifansätze errechnen konnte.
Nicht berücksichtigt sind daher jene Änderungen, die daraus
resultieren, dass sich aufgrund der für die Kunden günstigeren Tarife
das Nachfrageverhalten ändern wird. Dies gilt insbesondere für jene
tariflichen Positionen, deren zugrunde liegende Leistung auch von
anderen Gewerbetreibenden erbracht werden dürfen. Ein Vergleich am
Markt zeigt die wirtschaftliche Unangemessenheit der Höchsttarife. So
beträgt der Stundensatz der Rauchfangkehrer laut Höchsttarif-VO
lediglich € 22,93, ein denselben Leistungen entsprechender
Stundensatz bei einem in der selben Region tätigen Gewerbebetrieb
(Installationsunternehmen) liegt bei € 55,00 (siehe dazu Beilage 8).
Andererseits wird eine Senkung des Höchsttarifes hier zu einem
Abwandern der Kunden von anderen Gewerbetreibenden hin zu
Rauchfangkehrerbetrieben führen. Dass hierdurch allenfalls eine
Umsatzsteigerung der Rauchfangkehrerbetriebe bewirkt wird, vermag
Nachteile nicht zu verhindern. Denn die festgesetzten Höchsttarife
liegen, wie die Zahlen des Gutachtens belegen, sogar unter den
Selbstkosten der Rauchfangkehrerbetriebe, sodass jede auf Basis
dieses Höchsttarifes erbrachte Leistung nur zu einem weiteren Verlust
führen kann.

Nicht berücksichtigt sind in der Vergleichsrechnung weiters
Auswirkungen von Teilen des neuen Kehrgesetzes. Besonders evident ist
dies bei jenen Leistungen, die von Rauchfangkehrern überhaupt
kostenlos erbracht werden müssen, wie etwa den mit den Reinigungen zu
verbindenden brandsicherheitstechnischen Überprüfungen oder die durch
Terminverschiebungen seitens des Kunden erforderlichen zusätzlichen
Kehrtermine (§3 Abs3 letzter Satz und §9 Abs3 Bgld Kehrgesetz). Dass
die Kostenfreiheit hier im Gesetz enthalten ist, kann zwar nicht der
Höchsttarif-VO angelastet werden. Dieser Aspekt hätte aber bei
Erlassung der Höchsttarif-VO mitberücksichtigt werden müssen und
verringert natürlich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der
Betriebe. Weiters unberücksichtigt ist der auf 20% reduzierte
Höchsttarif bei reinen Überprüfungstätigkeiten (§2 Abs3 der
Höchsttarif-VO). Dies wird einen erheblichen Umsatzrückgang bewirken.
Aus all den genannten Gründen werden die durch die Höchsttarif-VO
bewirkten wirtschaftlichen Verschlechterungen für den Antragsteller
die oben genannten ziffernmäßigen Einbußen sogar noch deutlich
übertreffen."

Daher verstoße die Verordnung auch inhaltlich gegen das Gesetz:

"Bei einem solchen Ergebnis kann nicht davon gesprochen
werden, dass bei Erlassung der Höchsttarif-VO 'auf die
Leistungsfähigkeit der Betriebe' Bedacht genommen wurde. §125 Abs1
zweiter Satz GewO 1994 verlangt dies aber ausdrücklich als
gesetzliche Voraussetzung für Höchsttarif-Verordnungen. Die
angefochtene Höchsttarif-VO widerspricht daher ihrer gesetzlichen
Grundlage. Sie ist somit gesetzwidrig.

Daneben verstößt die Höchsttarif-VO auch gegen §125 Abs1
dritter Satz iVm §123 Abs1 zweiter Satz GewO 1994. Denn die zuletzt
genannte Bestimmung verlangt - freilich im Zusammenhang mit der
Erlassung der Kehrgebietseinteilungen - unter anderem, dass die
Grenzen der Kehrgebiete so festzulegen sind, dass 'innerhalb eines
Kehrgebietes die wirtschaftliche Lebensfähigkeit von mindestens zwei
Rauchfangkehrerbetrieben mit mindestens je zwei hauptberuflich
beschäftigten Arbeitnehmern gewährleistet ist'. Davon kann nach
Erlassung der angefochtenen Höchsttarif-VO, wie oben dargelegt, keine
Rede mehr sein. Es kann dahingestellt bleiben, ob dieses Ergebnis als
Verstoß gegen §123 Abs1 zweiter Satz GewO 1994 oder als Verstoß gegen
§125 Abs1 dritter Satz GewO 1994 anzusehen ist: Als Verstoß der
Höchsttarif-VO gegen §125 Abs1 dritter Satz GewO 1994 kann man es
jedenfalls insoweit ansehen, als diese Bestimmung den Konnex zwischen
diesen beiden Verordnungen herstellt und erforderlichenfalls eine
Differenzierung des Höchsttarifes nach Kehrgebieten verlangt, was die
Höchsttarif-VO nicht tut. Sicherlich unzulässig ist aber auch, dass
der Landeshauptmann von Burgenland durch Erlassung der Höchsttarif-VO
seine eigene Kehrgebiets-VO materiell in Widerspruch mit §123 Abs1
zweiter Satz GewO 1994 bringt. In jedem Fall hat somit die
Höchsttarif-VO bewirkt, dass die geltende Kehrgebiets-VO nicht mehr
der gesetzlichen Grundlage entspricht und invalidiert ist.
Gesetzmäßig kann dies auf keinen Fall sein."

Die Rückwirkungsanordnung des §7 Abs1 Höchsttarif-VO sei
durch das Gesetz nicht gedeckt.

Der Verfassungsgerichtshof hat den Landeshauptmann von
Burgenland (in dessen Namen die Verordnung erlassen wurde)
eingeladen, eine Äußerung zum Gegenstand zu erstatten und die Akten
vorzulegen. Am 16. November 2005 hat die Burgenländische
Landesregierung eine solche Äußerung erstattet. Auf diese hat der
Antragsteller am 30. November 2005 repliziert. Hierauf legte der
Landeshauptmann selbst am 20. Dezember 2005 die Äußerung vor.

Der zur Vertretung der Verordnung als oberste
Verwaltungsbehörde des Bundes zuständige Bundesminister für
Wirtschaft und Arbeit hat keine Äußerung abgegeben.

II. Der Antrag ist zulässig.

Der Antragsteller ist als Rauchfangkehrermeister Adressat
der Festlegung höchstzulässiger Tarife für seine Leistungen. Die
Einnahme höherer Entgelte ist mit Verwaltungsstrafe bedroht (§367 Z31
GewO 1994). Ein anderer Weg, an die Verordnung heranzukommen, ist ihm
nicht zumutbar.

Die Verordnung bildet insgesamt ein geschlossenes System für
die Rauchfangkehrerentgelte und insoweit eine nicht trennbare
Einheit. Dass der Antragsteller von irgendeiner Verordnungsstelle
nicht unmittelbar betroffen wäre, ist nicht zu sehen. Jede Tarifpost
und jede Begriffsbestimmung oder Berechnungsmethode kann im Zuge
seiner gewöhnlichen Leistungen jederzeit wirksam werden.

III.    Der Antrag ist auch begründet.

1. §125 GewO 1994 idF BGBl.  111/2002 bestimmt:
"§125. (1) Der Landeshauptmann hat durch Verordnung auch
Höchsttarife festzulegen. Hiebei ist auf die Leistungsfähigkeit der
Betriebe und auf die Interessen der Leistungsempfänger Bedacht zu
nehmen. Die Höchsttarife können für das gesamte Bundesland, für
einzelne Kehrgebiete oder auch für einzelne Gemeinden festgelegt
werden.

(2) Vor der Festlegung der Höchsttarife sind die zuständige
Landesinnung der Rauchfangkehrer, die zuständige Kammer für Arbeiter
und Angestellte, die zuständige Landwirtschaftskammer und die
berührten Gemeinden zu hören. Die Anhörung der berührten Gemeinden
kann entfallen, wenn vor der Festlegung der Höchsttarife eine
Anhörung der bestehenden Interessenvertretungen der Gemeinden erfolgt
ist und jede der berührten Gemeinden Mitglied einer der angehörten
Interessenvertretungen ist.

(3) - (6) (hier nicht von Bedeutung)."

2. Aus den vorgelegten Verordnungsakten ergibt sich: Am
18. Februar 2005 brachten die Abgeordneten C I und M K im
Burgenländischen Landtag einen Antrag
"auf Fassung einer Entschließung betreffend dringend
notwendige, klare und transparente Neuregelungen im Bereich der
Höchsttarife für das Rauchfangkehrergewerbe, die auch eine Anpassung
an die technische Entwicklung sowie eine spürbare finanzielle
Entlastung für die Haushalte im Burgenland sicherstellen",
ein, der im Wesentlichen den Text und den Tarif der später erlassenen
Verordnung enthielt.

Am 9. März 2005 wurde der den Entschließungsentwurf
einleitende Satz wie folgt abgeändert:

"Die Burgenländische Landesregierung wird aufgefordert, auf
das im Rahmen der mittelbaren Bundesverwaltung zuständige
Regierungsmitglied dahingehend einzuwirken, dringend notwendige,
klare und transparente Neuregelungen im Bereich der Höchsttarife für
das Rauchfangkehrergewerbe zu schaffen, die auch eine Anpassung an
die technische Entwicklung sowie eine spürbare finanzielle Entlastung
für die Haushalte im Burgenland sicherstellen, wie folgt:".

Der ressortzuständige Landeshauptmannstellvertreter
übermittelte am 17. März 2005 den Entwurf der Verordnung samt
Erläuterungen zur Begutachtung an Abteilungen der Landesregierung und
das Bundeskanzleramt sowie an folgende Stellen (Frist bis 25. April
2005):

"5. das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit, ...,
6. die Vereinigung Österreichischer Industrieller,
Landesgruppe Burgenland,
7. den Österreichischen
Gewerkschaftsbund-Landesexekutive Burgenland, ...,
8. den Verband sozialdemokratischer Gemeindevertreter
im Burgenland, ...,
9. den Burgenländischen Gemeindebund, ...,
10. den Verband freiheitlicher und unabhängiger
Gemeindevertreter Burgenland, ...,
11. den Österreichischen Städtebund, Landesgruppe
Burgenland, ...,
12. die Wirtschaftskammer Burgenland, ...,
13. die Kammer für Arbeiter und Angestellte für das
Burgenland, ...,
14. die Burgenländische Landwirtschaftskammer, ...,
15. den Burgenländischen Landes-Rechnungshof, ...,
16. den Landes-Seniorenbeirat."

Am 31. März 2005 fasste der Burgenländische Landtag in
seiner 55. Sitzung die beantragte Entschließung mit Abänderungen.
Im Begutachtungsverfahren äußerte sich der Bundesminister
für Wirtschaft und Arbeit wie folgt:

"Nach ho. Dafürhalten erscheint die vom Gesetz angestrebte
Ausgewogenheit der Interessen durch den vorliegenden Entwurf nicht
gewährleistet. Wie ein Vergleich mit den Stundensätzen (Netto-Sätzen)
der anderen Bundesländer ergibt, liegt der für das Burgenland
vorgesehene Stundensatz (€ 22,92) erheblich unter den nächsthöheren
Stundensätzen der Bundesländer Salzburg (€ 31) und Oberösterreich
(€ 32) und dem durchschnittlichen Stundensatz von € 36,68. Es erhebt
sich sohin die Frage, ob dem Erfordernis des §125 Abs1 GewO 1994 im
Hinblick auf die Bedachtnahmepflicht auf die Leistungsfähigkeit der
Betriebe ausreichend Rechnung getragen wurde.

     ..........

Gemäß §120 Abs1 GewO 1994 zählt das Reinigen, Kehren und
Überprüfen von Rauch- und Abgasfängen, von Rauch- und Abgasleitungen
sowie von den dazu gehörigen Feuerstätten zu den dem
Rauchfangkehrergewerbe vorbehaltenen Tätigkeiten, hinsichtlich derer
ein Wettbewerb mit anderen Gewerbebetrieben ausgeschlossen ist.
Obgleich vom Arbeitsaufwand her gesehen das bloße Überprüfen
sicherlich nicht mit tatsächlich vorgenommenen Reinigungs- und
Kehrtätigkeiten vergleichbar ist und daher auch eine unterschiedliche
Festsetzung der Leistungsentgelte gerechtfertigt erscheint, ist
dennoch zu bedenken, dass auch die bloße Überprüfungstätigkeit zu den
für das Rauchfangkehrergewerbe typischen Kerntätigkeiten zählt, die
nur von qualifizierten und berechtigten Personen durchgeführt werden
können. Insofern erscheint die im Entwurf vorgenommene Wertung, die
dem Rauchfangkehrer im Einzelfall nur eine Leistungsabgeltung von
€ 1,13 einbringen würde, nicht nachvollziehbar und erscheint auch
hier der Bedachtnahmepflicht auf die Leistungsfähigkeit der Betriebe
nicht in ausreichendem Ausmaß Rechnung getragen zu sein."

Die Landesorganisation des Österreichischen
Gewerkschaftsbundes begrüßte den Entwurf mit der Einschränkung:

"Nicht ganz einsichtig und rechnerisch nachvollziehbar
erscheint uns die Höhe des Objekttarifes, der je nach KW-Wert der
Heizungsanlage gestaffelt zwischen € 10,-- und € 60,-- ausgewiesen
ist. Die soziale Symmetrie scheint uns bei den Objekttarifen für
kleine Heizungsanlagen nicht unbedingt gegeben und ist daher eine
entsprechende Reduzierung erforderlich.

Ausdrücklich begrüßt wird das nunmehrige Tarifsplitting und
die Tatsache, dass für Überprüfung und Kontrolle nur mehr 20 % des
Arbeitsentgeltes zu berechnen sind. Diese Tarifierung wird dem
Grundsatz der Kostenwahrheit sehr nahe kommen und auch von den
burgenländischen Konsumenten mit ziemlicher Sicherheit akzeptiert
werden."

Der sozialdemokratische Gemeindevertreterverband vermisste
unter Hinweis auf den inzwischen gefassten Landtagsbeschluss eine
näher bezeichnete Tarifpost.

Die Landesgruppe des Österreichischen Städtebundes hatte
keine Einwände, vermisste aber eine gesetzliche Deckung für die
geplante Schlichtungsstelle.

Die Wirtschaftskammer Burgenland schlug unter anderem vor,
für die Überprüfung ohne Kehrung statt 20 % (§2 Abs3) des
Arbeitsentgelts 100 % verrechnen zu lassen und statt des
Kilometergeldes für Leistungen in fremdem Kehrgebiet (§4 Abs2) die
tatsächlichen Reisekosten, und hielt zu den Tarifen fest,
"dass diese nicht geeignet sind, die Existenz der
Rauchfangkehrerbetriebe sicherzustellen. Mit der Existenzgefährdung
der Unternehmen ist auch eine Gefährdung vieler Arbeitsplätze im
Rauchfangkehrergewerbe untrennbar verbunden.

Nach den Bestimmungen der Gewerbeordnung 1994 ist bei der Festlegung
der Kehrgebiete unter anderem zu berücksichtigen, dass innerhalb
eines Kehrgebietes die wirtschaftliche Lebensfähigkeit von mindestens
2 Rauchfangkehrerbetrieben mit mindestens je 2 hauptberuflich
beschäftigten Arbeitnehmern gewährleistet ist. Diesem gesetzlichen
Anspruch wurde durch die Burgenländische
Kehrgebietseinteilungs-Verordnung 1991 entsprochen.

Der vorliegende Entwurf einer Höchsttarifverordnung steht aber in
krassem Widerspruch zur Absicht des Gesetzgebers, die Existenz der
Rauchfangkehrerbetriebe sicherzustellen.

Mit dem Kehrgesetz 2005 wurden die Kehrtermine den
Erkenntnissen und Bedürfnissen der heutigen Zeit angepasst. Durch
diese Anpassung ist die Anzahl der vorgeschriebenen Kehrtermine
geringer geworden.
Allein durch den Entfall von Kehrterminen werden die Betriebe
Umsatzeinbußen hinnehmen müssen.

Die im Verordnungsentwurf enthaltenen Gebührensätze sind die
der geltenden Höchsttarifordnung zuzüglich der Indexsteigerung. Dabei
wurden jedoch Nebenleistungen die bei jeder Kehrung zur Verrechnung
gekommen sind, nicht berücksichtigt. Die Betriebe hätten
Umsatzeinbußen bis zu 62,5 % zu erwarten, im Durchschnitt betragen
die Einbußen 43 %.

Wir schlagen daher im Interesse eines gesicherten
Fortbestandes der Rauchfangkehrerbetriebe und der Erhaltung und
Sicherung ihrer Arbeitsplätze folgende Höchsttarife für Leistungen
des Rauchfangkehrergewerbes vor." (Wird im Einzelnen ausgeführt.)

Die Stellungnahme der Arbeiterkammer Burgenland entspricht
wörtlich jener der Landesorganisation des ÖGB.

Mit 19. Mai 2005 ist eine vom Landeshauptmannstellvertreter
gefertigte Verordnung datiert, die vom Textverfasser als
"Überarbeitung lt. WK-Stellungnahme im Begutachtungsverfahren"
bezeichnet ist und unter anderem für die Überprüfung ohne Kehrung (§2
Abs3) 80 % des Arbeitsentgelts und für Leistungen in fremdem
Kehrgebiet (§4 Abs2) die tatsächlichen Reisekosten vorsieht und in
der Tarifgestaltung zwischen dem begutachteten Entwurf und dem
Gegenvorschlag der Wirtschaftskammer Burgenland liegt. Diese
Verordnung wurde allerdings nicht kundgemacht. Eine Gleichschrift
enthält den handschriftlichen Vermerk "Achtung: durch LH-Weisung
überholt".

Am 1. Juni 2005 hatte nämlich der Landeshauptmann an den
Landeshauptmannstellvertreter folgendes Schreiben gerichtet:

"Schon seit längerer Zeit wird diskutiert, die Verordnung
über die Höchsttarife für das Rauchfangkehrergewerbe zu überarbeiten.
Das neue Kehrgesetz wurde im Landtag vom 31.3.2005 beschlossen und
wird in Kürze verlautbart werden. In derselben Landtagssitzung wurde
auch der Beschluss über eine Entschließung gefasst, welche die
Neuregelung der Höchsttarife für das Rauchfangkehrergewerbe
beinhaltet.

In Angelegenheiten der mittelbaren Bundesverwaltung, welche
wegen ihres sachlichen Zusammenhanges mit Angelegenheiten des
selbständigen Wirkungsbereiches des Landes im Namen des
Landeshauptmannes von Mitgliedern der Landesregierung zu führen sind,
sind die betreffenden Mitglieder an die Weisungen des
Landeshauptmannes gebunden.

Gemäß Art103 Abs2 B-VG erteile ich dir die Weisung, eine
Verordnung betr. die Festsetzung von Höchsttarifen für das
Rauchfangkehrergewerbe zu erlassen, welche voll inhaltlich den
Vorgaben des Landtagsbeschlusses vom 31. März 2005, Zahl: 18-642,
entspricht.

Die Verordnung ist vorzubereiten und umgehend nach
Verlautbarung des Kehrgesetzes zu erlassen."

3. Festzuhalten ist zunächst, dass die an den
Landeshauptmann von Burgenland (als Organ der mittelbaren
Bundesverwaltung) gerichtete Aufforderung zur Äußerung im Verfahren
zur Prüfung der in seinem Namen erlassenen Verordnung weder - wie
zunächst geschehen - von der Landesregierung (als Organ des Landes)
noch vom Landeshauptmann selbst, sondern durch den
Landeshauptmannstellvertreter als nach der Geschäftsordnung
zuständiges Mitglied der Landesregierung (Art103 Abs2 B-VG) in seinem
Namen abzugeben gewesen wäre.
Eine dem verordnungserlassenden Organ zuzurechnende Äußerung
liegt daher nicht vor.

Es ergibt sich aber schon aus den Akten, dass die
Behauptungen des Antragstellers zutreffen:

a) Nach §125 Abs2 GewO 1994 ist vor der Festlegung der
Höchsttarife unter anderem die zuständige Landesinnung der
Rauchfangkehrer zu hören. Das ist nicht geschehen. Die Beiziehung der
Wirtschaftskammer Burgenland genügt angesichts des klaren Wortlautes
des Gesetzes nicht.

b) Nach §125 Abs1 GewO 1994 sind die Höchsttarife unter
anderem so festzusetzen, dass die Betriebe leistungsfähig bleiben. In
den Akten fehlt jeder Anhaltspunkt darüber, wie der Verordnungsgeber
zu den verordneten Tarifpositionen gekommen ist und wie sich die
Änderung des Tarifsystems im Zusammenwirken mit den Tarifsätzen
insgesamt für die Gewerbetreibenden auswirkt. Weder der zur
Begutachtung versendete Entwurf noch die Entschließung des Landtages,
der die Verordnung ohne weitere Begründung folgt, enthalten
irgendwelche Überlegungen (Rechenwerke), aus denen sich die
Angemessenheit des Tarifs ergäbe. Es ist daher offenkundig und bedarf
keiner weiteren Darlegung, dass die nach §125 Abs1 GewO maßgebliche
Leistungsfähigkeit der Betriebe nicht erhoben wurde. Dazu war aber
spätestens nach dem Ergebnis des Begutachtungsverfahrens Anlass:
Sowohl der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit wie die
Wirtschaftskammer Burgenland haben konkrete Einwendungen in Bezug auf
die zu erwartenden Auswirkungen erhoben. Eine Auseinandersetzung mit
den im Begutachtungsverfahren erhobenen Einwendungen hat nicht
stattgefunden. Setzt sich die Behörde mit den Ergebnissen der
Anhörung nicht auseinander, wird aber der Zweck der Anhörung nicht
erfüllt. Die Entschließung des für die Angelegenheit in der Sache
selbst unzuständigen Landtags, deren Zustandekommen sich jeder
Beurteilung entzieht, kann die notwendigen Ermittlungen nicht
ersetzen.

Unter diesen Umständen kann von einem zureichenden
Ermittlungsverfahren und der Bedachtnahme auf die Leistungsfähigkeit
der Betriebe nicht gesprochen werden.

c) Die am 15. Juli 2005 kundgemachte Verordnung ist nach
ihrem §7 Abs1 im Zusammenhalt mit dem Inkrafttreten des Kehrgesetzes
mit Wirkung vom 1. Juli 2005 in Kraft gesetzt worden. Nach der
ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. zB VfSlg.
15.675/1999) ist ein rückwirkendes Inkrafttreten von Verordnungen nur
zulässig, wenn das Gesetz dazu ausdrücklich ermächtigt. Das ist nicht
der Fall. §7 Abs1 der Verordnung ist daher auch aus diesem Grund
gesetzwidrig.

Die Verordnung ist folglich insgesamt als gesetzwidrig aufzuheben.

Eine mündliche Verhandlung war entbehrlich (§19 Abs4 Satz 1 VfGG).

IV. Die Kundmachungsverpflichtung stützt sich auf Art139 Abs. B-VG.
Der Kostenzuspruch auf §61a VfGG. Im zugesprochenen Betrag ist
Umsatzsteuer in Höhe von 360 € enthalten.


Schlagworte:
Gewerberecht, Rauchfangkehrergewerbe, Geltungsbereich (zeitlicher)
einer Verordnung, VfGH / Individualantrag, VfGH / Prüfungsumfang,
VfGH / Verfahren, Verordnungserlassung, Bundesverwaltung mittelbare,
Rückwirkung, Anhörungsrecht

Dokumentnummer: JFT/09939698/05V00082